WIE GUT SOLCHES ZU LESEN, BESTÄRKT ES DOCH DAS WISSEN, DASS IM INNEN BEGINNT, WAS IM AUßEN SICH MANIFESTIEREN TUT. Das heißt auch, das niemand zu warten hat, bis andere „frei“ sind. Die ENT-Faltung der Freiheit in uns wartet auf unsere Wahrnahme und unser sich darum kümmern und daran erfreuen.
Lesen Sie nach in meiner «Philosophie der Freiheit», was für einen großen Wert ich darauf gelegt habe, daß nicht gefragt werde nach der Freiheit des Willens. Der sitzt unten, tief unten im Unbewußten, und es ist ein Unsinn, nach der Freiheit des Willens zu fragen; sondern man kann nur von der Freiheit der Gedanken sprechen. Ich habe das in meiner «Philosophie der Freiheit» wohl auseinandergehalten. Die freien Gedanken müssen dann den Willen impulsieren, dann ist der Mensch frei.
Rudolf Steiner (Lit.:GA 235, S. 46ff.)
ZUR FREIHEIT DES MENSCHEN aus der Sicht Rudolfs Steiners Geisteswissenschaft:
„Man fragt: Ist der Mensch frei oder ist er nicht frei? Ist der Mensch ein freies Wesen, das mit wirklicher Verantwortung aus seiner Seele heraus die Entschlüsse fassen kann, oder ist er eingespannt in eine natürliche oder geistige Notwendigkeit wie ein Naturwesen? So hat man gefragt, ich möchte sagen, durch Jahrtausende, und so fragt man noch. Diese Frage schon ist der große Irrtum.
Man kann so nicht fragen, sondern die Frage nach der Freiheit ist eine Frage der menschlichen Entwicklung, einer solchen menschlichen Entwicklung, daß der Mensch im Laufe seines Jugendlebens oder vielleicht seines späteren Lebens Kräfte in sich entwickelt, die er nicht einfach von Natur aus hat. Man kann gar nicht fragen: Ist der Mensch frei ? Von Natur aus ist er es nicht, aber er kann sich immer mehr und mehr frei machen, indem er Kräfte erweckt, die in ihm schlummern und die die Natur nicht erweckt. Der Mensch kann immer freier und freier werden. Man kann nicht fragen: Ist der Mensch frei oder unfrei, sondern nur: Gibt es für den Menschen einen Weg zur Erringung der Freiheit? Und diesen Weg gibt es. Wie gesagt, vor dreißig Jahren versuchte ich zu zeigen: Wenn der Mensch dazu aufrückt, ein inneres Leben in sich zu entwickeln, so daß er die sittlichen Impulse für seine Handlungen in reinen Gedanken erfaßt, kann er wirklich Gedankenimpulse, nicht bloß instinktive Emotionen seinen Handlungen zugrunde legen, – Gedanken, die in die äußere Wirklichkeit so untertauchen wie der Liebende in das geliebte Wesen. Dann nähert sich der Mensch seiner Freiheit. Die Freiheit ist ebenso ein Kind des Gedankens, der in geistiger Hellsichtigkeit erfaßt wird – nicht unter einem äußeren Zwang -, wie sie ein Kind der wahren hingebungsvollen Liebe ist, der Liebe zum Objekt des Handelns. Wonach das deutsche Geistesleben in Schiller strebte, als er sich Kant gegenüberstellte und etwas ahnte von einem solchen Freiheitsbegriff, das ziemt uns, in der Gegenwart weiter auszubilden. Da aber stellte sich mir heraus, daß man nur sprechen kann von demjenigen, was den sittlichen Handlungen zugrunde liegt – wenn es auch bei den Menschen unbewußt bleibt, vorhanden ist es doch – ; und daß man das nennen muß Intuition. Und so sprach ich in meiner «Philosophie der Freiheit» von einer moralischen Intuition.
So hängt Freiheit mit der Entwicklung des menschlichen Denkens zusammen. Freiheit ist im Grunde genommen immer Gedankenfreiheit …“ (Lit.: GA 333, S. 107ff)
„Zweimal ist in der Menschheitsentwickelung dasselbe Wort gebraucht worden: Einmal bei der Paradieses Versuchung, als Luzifer zu dem Menschen sagte: «Ihr werdet sein wie die Götter, eure Augen werden geöffnet werden.» Das ist der bildliche Ausdruck für den luziferischen Impuls. Luzifer hat damit die Geistigkeit in die niedere Natur des Menschen gegossen und dafür den Menschen die Möglichkeit gegeben, zur inneren Freiheit durch sittliche Motive zu kommen. Und ein zweites Mal wurde gesagt, jetzt von dem Christus: Seid ihr nicht Götter? (Joh 10,34 LUT) – Dasselbe Wort! Daraus sieht man, daß es nicht nur ankommt auf den Inhalt eines Wortes, sondern auf das Wesen, das ein Wort ausspricht, auf die Art und Weise, wie ein Wort gesprochen wird. Da sieht man den notwendigen Zusammenhang zwischen der Luzifertat und der Tat des Christus auch in bildlicher Weise ausgedrückt, wie die religiösen Urkunden das zu tun pflegen
Luzifer ist der Bringer der persönlichen Freiheit des einzelnen Menschen, Christus ist der Träger der Freiheit des ganzen Menschengeschlechtes, des ganzen Menschentums auf Erden. Das ist das Bedeutsame der Anthroposophie, daß sie uns lehrt, daß die Anerkennung des Christus-Wesens in solcher Weise geschehen wird, daß es dem Menschen freisteht, den Christus anzuerkennen oder nicht, wie es dem Menschen freisteht, nicht moralisch zu sein.
Eine freie Wahrheit soll der Christus für die Menschenseele sein.“ (Lit.: GA 150, S. 99)