INA PRAETORIUS: Und ich zähle nur ein paar der erstaunlichsten Widersprüche auf, mit denen wir täglich leben:
Erstens: Ökonomen nehmen ihre eigenen Definitionen nicht ernst: Sie behaupten, ihr Kerngeschäft sei die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Aber sie lassen den größten Wirtschaftssektor, die unbezahlte Care-Arbeit, aus. Sie setzen Ökonomie mit Geldwirtschaft gleich.
Zweitens: Frauen verdienen auf der ganzen Welt faktisch weniger Geld als Männer.
In Westeuropa sind es bis zu einem Drittel weniger. Würde man aber alle wirtschaftlichen Leistungen mitrechnen, dann würden Frauen mehr verdienen als Männer. Erheblich mehr. Denn sie arbeiten erheblich mehr.
Drittens: Dort, wo unbezahlt gearbeitet wird, also vor allem in den Privathaushalten, befindet sich in Wirklichkeit das Zentrum der Wirtschaft. Denn welchen Sinn würde Wirtschaft ohne Menschen machen? Hättet ihr denn als Babies überlebt, wenn eure Mütter nur gegen „finanzielle Anreize“ gearbeitet hätten? – Diese Mitte der Ökonomie kommt in der so genannten „Ökonomie“, zum Beispiel im Bruttosozialprodukt, aber kaum vor.
Viertens: Viele Frauen sind immer noch sehr folgsam. Zum Beispiel höre ich immer wieder Sätze wie diesen: „Ich arbeite nicht, ich bin nur zuhause.“ Nicht nur die Ökonomen leben also mit einem verdrehten Weltbild. Wir alle machen mit.
Fünftens: Die unbezahlte Care-Arbeit wird aus der so genannten „Ökonomie“ auf vergleichbare Art und Weise ausgeschlossen wie die Ressourcen, die uns die Natur zur Verfügung stellt. Die Missachtung der Care-Arbeit hängt eng zusammen mit dem ökologischen Schlamassel, in den man uns hineinmanövriert hat: zum Beispiel mit dem Klimawandel.
Sechstens: Die offizielle Politik will uns weismachen, man werde das Problem mit ein paar Schönheitsoperationen lösen: mit ein bisschen mehr „Gleichstellung“ und Karriereförderung, ein paar Krippenplätzen mehr, mit ein bisschen „Vaterschaftsurlaub“ und so weiter. Das stimmt nicht. Es braucht einen Paradigmenwechsel – weg von der Geldzentrierung, hin zur Care-Zentrierung der Ökonomie.